blid.
die andere perspektive

Türkei verbietet Wunschkaiserschnitte: Frauenrechte mit dem Skalpell beschnitten

In der Türkei dürfen Frauen in Privatkliniken künftig nicht mehr selbst entscheiden, ob sie per Kaiserschnitt entbinden wollen. Nur wenn es medizinisch notwendig ist, erlaubt der Staat den Eingriff. Begründet wird das Verbot mit dem Ziel, die Geburtenrate zu steigern. Gesundheitsminister Fahrettin Koca verweist darauf, dass Frauen nach einem Kaiserschnitt oft weniger Kinder bekommen. Präsident Recep Tayyip Erdoğan gilt seit Jahren als entschiedener Befürworter sogenannter natürlicher Geburten. Zuvor sorgte eine PR-Aktion des Gesundheitsministeriums für Empörung. Spieler des Fußballclubs Sivasspor liefen mit einem riesigen Transparent auf das Spielfeld. Darauf stand: „Natürliche Geburt ist natürlich“. Was wie eine harmlose Gesundheitskampagne erscheint, entpuppt sich als politischer Eingriff in eine der persönlichsten Entscheidungen einer Frau, wie sie ihr Kind zur Welt bringt. Zur Begründung wird unter anderem angeführt, dass nach einer natürlichen Geburt eine erneute Schwangerschaft etwas früher medizinisch empfohlen wird als nach einem Kaiserschnitt. Nach einer natürlichen Geburt raten Ärztinnen und Ärzte zu 12 bis 18 Monaten Abstand, nach einem Kaiserschnitt zu 18 bis 24 Monaten. Doch rechtfertigt dieser Unterschied von wenigen Monaten wirklich die Einschränkung eines so grundlegenden Selbstbestimmungsrechts? Diese Argumentation blendet aus, dass jede Geburt individuell ist. Viele Frauen empfinden eine vaginale Geburt als belastend oder traumatisch, andere fühlen sich mit einem geplanten Kaiserschnitt sicherer und besser begleitet. Die sogenannte Natürlichkeit ist kein objektives Qualitätskriterium und schon gar kein Grund, Frauen ihre Wahl zu verweigern. Was hier als medizinische Empfehlung dargestellt wird, ist in Wirklichkeit ein politisches Kalkül. Frauen sollen mehr Kinder bekommen, weil der Staat das so will. Dass eine erneute Schwangerschaft überhaupt einen Kinderwunsch voraussetzt, bleibt unberücksichtigt. Dass jede Geburt, unabhängig von der Methode, ein tiefgreifendes körperliches und seelisches Ereignis ist, scheint keine Rolle zu spielen. Die Entscheidung der Frauen wird systematisch übergangen. Was sie fühlen, was sie brauchen, bleibt außen vor. Ihre Körper werden zu einem Werkzeug der Regierung, die Geburten wie Bevölkerungszahlen verwaltet. Medizinerinnen und Mediziner schlagen Alarm. Sie wissen, dass keine Geburt wie die andere ist. Doch wer sich gegen das neue Verbot stellt, muss mit Konsequenzen rechnen. Die ärztliche Verantwortung und die individuelle Beratung weichen starren Vorgaben. Die scheinbar natürliche Lösung wird zur staatlich erzwungenen Norm. Es ist ein direkter Angriff auf die persönliche Freiheit und körperliche Selbstbestimmung.